Was ist Hochsensibilität?
Kommen dir diese Sätze bekannt vor?
- „Stell dich nicht so an!“
- „Das war ja nicht so gemeint!“
- „Du bist aber auch anstrengend…“
- „Du musst immer so übertreiben!“
- „Mit dir ist es immer so kompliziert!“
- „Das bildest du dir mal wieder ein…“
- „Du reagierst echt über!“
- „Ach komm, mach mit, alle machen doch mit!“
Wenn du das alles schon mal gehört hast oder es dir häufiger gesagt wurde, dann bist du sehr wahrscheinlich hochsensibel. Hochsensiblen Menschen wird von der Umwelt oft suggeriert, etwas stimme nicht mit ihnen. Dabei sind es gar nicht so wenige Menschen, die mit dieser Gabe auf die Welt gekommen sind: ungefähr jeder 4.-5. Mensch ist hochsensibel und kennt sicher viele dieser Sätze, das sind ca. 20% aller Menschen (Männer und Frauen im gleichen Anteil). Die Meisten von ihnen wissen dies aber nicht einmal. Viele fühlen sich „irgendwie anders“, denken es stimme etwas nicht mit ihnen. Oft kommen aus dem Umfeld diese oder ähnliche besagte Sätze wie oben. Es dauert oft viele Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte, bis die Erkenntnis der eigenen Hochsensibilität erlangt wird. Dieser Weg ist meistens mit viel Leid und Belastung verbunden. Aufgrund der Andersartigkeit mussten viele Menschen mit einer ausgeprägten Hochsensibilität immer wieder Ablehnung und Ungerechtigkeiten erfahren.
Es gibt nicht die „eine wissenschaftliche Definition“ zur Hochsensibilität. Der Begriff der „Neurosensitivität“ findet ebenso immer mehr Verwendung in dem Zusammenhang. Wichtig ist aber vorab zu erwähnen, dass es sich nicht um eine Erkrankung oder psychische Störung handelt, sondern um ein besonderes Persönlichkeitsmerkmal, basierend auf einer sensibleren Wahrnehmung, die vererbbar ist. Hochsensible Menschen (HSM) sind demnach nicht therapiebedürftig und Hochsensibilität ist keine Diagnose nach der ICD. Ein professionelles Coaching kann den Alltag allerdings erleichtern, die Akzeptanz der eigenen Hochsensibilität zu erhöhen und vor allem die Stärken als Chance zu begreifen. Eine Begleitung bei der Selbsterkenntnis der eigenen Hochsensibilität ist sehr ratsam, vor allem auch präventiv bzw. bevor andere Erkrankungen auftreten.
Die Psychologieprofessorin und Therapeutin aus den USA, Elaine Aron, ist eine Ikone auf dem Gebiet und hat sich seit den 90er Jahren mit dem Begriff auseinandergesetzt und durch eigene Forschung viele wertvolle Erkenntnisse erlangt. Der Begriff „highly sensitive person“ (HSP) stammt von ihr…ich verwende allerdings die Abkürzung HSM für „hochsensible Menschen“.
Elaine A. hat herausgefunden, dass hochsensible Menschen eine erhöhte Empfänglichkeit für innere und äußere Reize haben und der neurologische Wahrnehmungsfilter weniger stark ausgeprägt ist. Das zieht nach sich, dass die Reizschwelle schneller überstiegen wird und hochsensible Menschen demnach mit mehr Reizen konfrontiert werden als „Normalsensible“. Ein leichter erregbares Nervensystem ist bei ihnen veranlagt, ein hohes Erregungsniveau ist schneller erreicht. Dies führt zu einer intensiveren Wahrnehmung, intensiverer Informationsverarbeitung und einer höheren emotionalen Reaktivität. Die Gefahr der Überlastung geht damit einher: es wird schnell alles zu viel und die Grenzen der Belastbarkeit werden oft überschritten. Dies zeigt sich in allen Lebensbereichen (Beruf, Partnerschaft, Freundschaften/ Bekanntschaften, Gesundheit…bei Kindern). Durch die höhere Wahrnehmungsfähigkeit, deutliche Mehraufnahme von Reizen sowie der intensiveren Verarbeitung derer, kommt es schneller zu Stresssymptomen.
Auch wenn die Hochsensibilität an sich keine Erkrankung darstellt, das ist mir wichtig immer wieder zu betonen, besteht aufgrund des stark erregbaren Nervensystems die Gefahr, dass daraus psychische und physische Erkrankungen entstehen können bis hin zum totalen Zusammenbruch, einer Depression, Angstzuständen oder auch psychosomatischen und somatoformen Störungen. Diese zeigen sich körperlich – teils organisch nachweisbar, teilweise aber auch nicht nachweisbar. Die Hochsensibilität an sich wurde dann häufig nicht erkannt und es werden „andere Diagnosen“ gestellt… das kommt leider häufiger vor als es sein müsste, vor allem bei Kindern.